Mit dem Fahrrad gegen den Wind
12. May. 2025
Mit dem Fahrrad gegen den Wind – Strategien für stürmische Touren
Gegenwind ist der größte Widersacher von Rennradfahrern – besonders auf langen Distanzen. Auch unsere Autorin musste das schmerzhaft erfahren, als sie ihre erste große Frühjahrstour in Angriff nahm.
Vor zwei Wochen war es so weit: Die erste große Ausfahrt des Jahres stand an – die sogenannte „one-way Radfernfahrt“ von Leipzig nach Potsdam. Die Route verläuft nordnordöstlich – eigentlich eine Richtung, die oft Rückenwind verspricht. Doch diesmal war alles anders: Der Wetterbericht kündigte konstanten Gegenwind an – nur die Stärke nahm stetig zu. Aus frischem Wind wurde ein stürmisches Hindernis.
Die Tour entwickelte sich zu einem echten Härtetest – 217 Kilometer lang und reich an Zeit, über Wind, Taktik und mentale Stärke nachzudenken.
Wind ist ein tückischer Gegner. Wer bei Gegenwind startet, hat keine Garantie, dass sich die Richtung ändert – im Gegenteil. Der Wind wird nicht sichtbar auf Höhenprofilen dokumentiert wie ein Anstieg. Erzählt man von neun Stunden strampeln gegen die Böen, winken viele nur ab. 25 oder 50 km/h Wind – wer spürt da schon genau den Unterschied?
Doch gerade das macht ihn so heimtückisch. Carolyn Ott-Friesl, Radbloggerin und leidenschaftliche Fahrerin, brachte es am Tag vor meiner Tour auf Blue Sky perfekt auf den Punkt:
„Bei Rückenwind denke ich, ich könnte Profi werden. Bei Gegenwind frage ich mich, ob ich dieses Fahrrad überhaupt verdient habe.“
Dieser Satz begleitete mich gedanklich über viele Kilometer und half dabei, die Stimmung hochzuhalten. Und auch diese Strategien halfen mir, mit dem Wind klarzukommen:
1. Sich dem Wind anpassen
Gegen den Wind zu fahren, ist eine Übung in Geduld und Akzeptanz. Ich versuche, mich dem Rhythmus der Böen anzupassen – meine Trittfrequenz, mein Tempo, alles richtet sich nach den Bedingungen. Dann dauert die Gerade eben länger.
Im Navi vergrößere ich die Ansicht, damit sich der kleine Richtungspfeil überhaupt sichtbar vorwärts bewegt. Und wenn der Wind besonders hart bläst, bleibt nur eines: akzeptieren. Irgendwann lässt auch der stärkste Sturm nach – und vielleicht wartet dann schon die nächste Baumgruppe als Windschutz.
2. Rechtzeitig essen und trinken
Normalerweise orientiere ich mich bei der Nahrungsaufnahme an den zurückgelegten Kilometern. Im Gegenwind aber zählt der Energieaufwand mehr als die Distanz. Ich muss früher zu Snacks und Getränken greifen, sonst fahre ich mich leer – mit fatalen Folgen, denn der Wind bleibt gnadenlos.
3. Zwischen Einsatz und Schonung entscheiden
Manchmal fühlt sich Gegenwindfahren an wie ein Projekt, in das man viel Energie steckt, ohne das gewünschte Ergebnis zu sehen. Ich entscheide dann: Will ich alles geben und stolz auf meine Leistung sein – unabhängig vom Schnitt? Oder schalte ich in den Energiesparmodus, lasse es langsamer angehen und freue mich, dass mir für den Rest des Wochenendes noch Kraft bleibt?
4. Wind als Trainingspartner begreifen
Wind ist unsichtbar, aber fordernd – fast wie ein unsichtbarer Pass. Ich versuche, ihn als Trainingsreiz zu sehen. Besonders, wenn er direkt von vorn kommt, finde ich das mental einfacher zu ertragen, als ständig gegen seitliche Böen zu kämpfen.
Und ich beobachte, wie der Wind die Landschaft verändert: Wolkenbilder, wie gemalt, oder Felder, in denen das Getreide sich einheitlich neigt – das sind Momente, die man nur an stürmischen Tagen erlebt. Auf dieser Fahrt war es vor allem der Schwielowsee bei Potsdam, dessen aufgewühlte Wasserfläche wie eine Meeresküste wirkte – ein eindrucksvolles Finale eines langen Tages.
Über die Autorin:
Eva Ullrich ist leidenschaftliche Rennradfahrerin, Ultracyclistin und Organisationsentwicklerin. Die Diplompsychologin hat über 15 Jahre Führungserfahrung in der Digitalwirtschaft und unterstützt heute als Coachin, Referentin und Workshop-Leiterin Führungskräfte und Teams deutschlandweit. Ihre Langstreckenfahrten umfassen regelmäßig hunderte Kilometer – oft gegen den Wind, immer mit Leidenschaft.
Quelle: Manager Magazin